Welche Veränderungen sollte es in unseren Berufsfeldern geben?
BSVI
Die BSVI wurde vor 60 Jahren gegründet. Es ist wieder an der Zeit, rückblickend Resümee zu ziehen, und die Perspektiven neu zu betrachten.
Allerdings wiederholt sich dieser Vorgang regelmäßig bei jedem Jubiläum. Deshalb werden an dieser Stelle nur die letzten zehn Jahre seit dem 50. Geburtstag der BSVI ins Visier genommen. Klimawandel, Mobilitätswende, Digitalisierung, Fachkräftemangel und schwindende Mitgliederzahlen in den Berufsvereinigungen prägen das Bild der Zeit. Es ist interessant zu erfahren, wie die BSVI und jede VSVI mit diesen gesellschaftlich wichtigen Themen umgehen.
Was war, was ist, was wird sein?
Mit welchen Besonderheiten treten die Berufsvereinigungen der Länder auf, wie können Ingenieurinnen und Ingenieure von einer Mitgliedschaft profitiert?
Die BSVI und ihre Mitglieder, die 14 Vereinigungen der Straßenbau- und Verkehrsingenieure, haben darauf Antworten gegeben.
Welche Erwartungen haben Sie an die nächsten zehn Jahre? Wo sehen Sie Ihre VSVI und die BSVI in zehn Jahren?
BSVI Bundesvereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure
Das Berufsfeld bzw. die Aufgaben der Straßenbau- und Verkehrsingenieure werden sich künftig vermehrt dem Umbau und ggf. auch dem Rückbau der Verkehrsinfrastruktur widmen müssen. Noch mehr als in der Vergangenheit wird die Diskussion über die Notwendigkeit von Investitionen in neue Straßenverkehrsinfrastruktur geführt.
Die Arbeitswelt wird zunehmend digitaler und auch unsere Branche (Baufirmen, Ingenieurbüros, Verwaltung und Wissenschaft) ist davon betroffen. Wer sich hier abkoppelt, wird kurzfristig abgehängt und wird langfristig nicht bestehen können. Die Anwendung der BIM-Methode ist derzeit der erkennbare Weg der neuen interdisziplinären Zusammenarbeit. Wir sind gemeinsam gestartet, aber der Weg ist lang und das gemeinsame Ziel noch lange nicht erreicht.
Die Anforderungen des nicht-motorisierten Verkehrs werden vor allem innerhalb bebauter Gebiete steigen und werden mehr als bisher den Straßenentwurf und die damit verbundene Flächenaufteilung und Nutzungsdiskussion bestimmen.
Das Bauen unter Verkehr wird zunehmend komplexer. Durch die hoch ausgelastete Infrastruktur und den Anspruch, alles immer in gewohnter Zeit zu erreichen, werden die notwendigen Einschränkungen durch Baustellen immer weniger akzeptiert. Kommunikation ist ein geeignetes Mittel, um für das nötige Verständnis zu werben.
Technisch gilt es, Baustoffe und Bauweisen dahingehend zu entwickeln, dass die Einschränkungen der Nutzung der Infrastruktur auf das zeitlich unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. Bei den im Straßenbau typischen Baustoffen wird zunehmend die CO₂-Bilanz und somit ein unmittelbar klimarelevantes Thema diskutiert. Hier müssen wir technisch innovativer werden. Deutlich werden muss dabei auch, dass die CO₂-Immissionen aus der Verlagerung des Verkehrs (auf längere Wege und in einen Stau) nicht nur Zeit und Geld kosten, sondern auch die CO₂-Bilanz belasten. Bei stärker belasteten Straßen ist für einen Brückenersatzbau der CO₂-Beitrag aus dem verlagerten Verkehr meist höher als der CO₂-Beitrag aus den Baustoffen und dem Bauprozess selbst.
Das autonome Fahren wird sich weiter etablieren und in weiten Bereichen durchsetzen. Die dafür notwendigen Ausstattungen innerhalb und außerhalb des Straßenraums werden uns für einen ganzheitlichen Ansatz der Mobilität beschäftigen.
Mit ihrem Wissen und ihrer Ausbildung werden Straßenbau- und Verkehrsingenieure auch für diese z. T. neuen Aufgaben unverzichtbar. Um die neuen, sehr komplexen Anforderungen an eine möglichst klimaneutrale Mobilität von der Idee des Projekts bis zur Inbetriebnahme und beim Betreiben bewältigen zu können, müssen Lehr- und Ausbildungsinhalte angepasst werden. Die Fort- und Weiterbildungsangebote der VSVI-Landesverbände haben sich schon immer den wandelnden Ansprüchen und Anforderungen an unsere Verkehrsinfrastruktur angepasst. Hier ist und bleibt noch viel zu tun. Wir müssen unseren nicht unwesentlichen Beitrag an der Gestaltung unser aller Zukunft viel mehr als bisher den jungen Menschen nahebringen und ihnen diesen Beitrag veranschaulichen.
Straßenbau- und Verkehrsingenieure machen viel mehr, als Verkehrswege zu bauen und Infrastruktur zu erhalten. Zusammen mit anderen Fachdisziplinen sind sie verantwortlich für die nachhaltige und lebenswerte Gestaltung städtischer Räume. Sie sind auch mitverantwortlich für die immer weiter sinkende Anzahl von Verkehrsunfällen auf unseren Straßen. Sie sind auch für die Berechnung von Fahr- und Reisezeiten für verschiedene Verkehrsmittel zuständig. Informationen, die insbesondere junge Menschen mit Apps auf ihren Smartphones wie selbstverständlich nutzen.
Woher das alles kommt und wer hieran auch einen Anteil hat, das wissen viele junge Menschen häufig aber nicht. Hier ist noch viel zu tun. Hier müssen wir unseren Beruf und die unwahrscheinlich vielen Ausprägungen und Gestaltungsmöglichkeiten unseres Berufs künftig viel besser „verkaufen“. Überall und immer wieder. Jeder einzelne kann hier für seinen Beruf begeistern. Nur machen müssen wir es alle.
Was ist in den vergangenen zehn Jahren in Ihrer VSVI besonders Bemerkenswertes geschehen? Welche Aktivitäten, Veranstaltungen und Angebote sind besonders hervorzuheben?
VSVI Mecklenburg-Vorpommern
Ein beispielhafter Höhepunkt in der Arbeit der VSVI Mecklenburg-Vorpommern war die Ausrichtung der 41. Delegiertenversammlung der BSVI e.V. 2015 in Stralsund. Ein in negativer Hinsicht einschneidendes Ereignis war die Corona-Pandemie in den Jahren 2020/21. Diese führte im Jahr 2020 zu einem weitgehenden Erliegen der Vereinsarbeit, insbesondere die Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen konnten nicht wie gewohnt durchgeführt werden. Die Vorstandssitzungen konnten weitgehend nur digital ausgeführt werden. Auf der anderen Seite hat dieses Ereignis auch einen positiven Effekt in Bezug auf die Nutzung neuer Medien in der Vereinsarbeit. So konnten die Weiterbildungsveranstaltungen im Jahr 2021 im digitalen Format umgesetzt werden. Auch wenn hier der persönliche Austausch zwischen den Mitgliedern zu kurz kommt, konnte zumindest dem Anspruch des Vereins auf Weiterbildung der Mitglieder genüge getan werden.
Positiv zu vermerken ist aus der Sicht des Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern auch die Aufnahme des Stralsunder Brückenbautags in die Weiterbildungsarbeit der VSVI Mecklenburg-Vorpommern. Der Brückenbautag, der das Jahresheft „Brücken und Tunnel der Bundesfernstraßen“ des BMDV aufbaut, ist ein Symposium, das sich das Ziel gestellt hat, die Gestaltung von Ingenieurbauwerken und das Zusammenwirken aller am Bau Beteiligten über Mecklenburg-Vorpommern hinaus in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen.
VSVI Nordrhein-Westfalen
Der Landesverband Nordrhein-Westfalen hebt die Jahreshauptversammlungen und Exkursionen der VSVI in NRW, die 50-Jahresfeier mit Festschrift, den Ingenieurpreis der BSVI, die Präsidialversammlungen und den gemeinsamen Stand der BSVI und der VSVI NRW auf dem Deutschen Straßen- und Verkehrskongress der FGSV hervor. Besonders ist ganz sicher das VSVI-Jahresheft. Es beschreibt in den Beiträgen den aktuellen Stand verschiedenster Themen und bietet eine hilfreiche Antenne zur VSVI.
VSVI Niedersachsen
Die VSVI Niedersachen hat ihr 60-jähriges Bestehen feiern können und hat nach 60 Jahren mit Katja Pott das erste Mal eine Frau an der Spitze der Vereinigung.
Was macht uns als BSVI oder VSVI einzigartig?
VSVI Sachsen-Anhalt
Nach Ansicht der VSVI Sachsen-Anhalt handelt es sich bei der BSVI und den VSVI‘en um einen Zusammenschluss aller über den Lebenszyklus der Straße Beteiligten in einer ehrenamtlichen Organisation, die Informationsaustausch in informellem Rahmen ermöglicht. Von den unterschiedlichen Sichtweisen profitieren alle Beteiligten. Die Vereinigung beschäftigt sich konsequent mit regionalen Themen des Infrastrukturbaus. Die Möglichkeiten, den Austausch mit Berufskolleginnen und Berufskollegen anzubieten, machen BSVI und VSVI einzigartig.
VSVI Thüringen
Die VSVI Thüringen hebt BSVI und VSVI als einen Zusammenschluss der Straßenbau- und Verkehrsingenieure aus Verwaltungen, Ingenieurbüros, Bauwirtschaft und Forschung und Lehre hervor. Ein Zusammenschluss zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern mit dem Ziel, die fachliche Weiterbildung zu organisieren, gibt es in dieser Form in keinem anderen Beruf.
Klimawandel, Mobilitätswende und Digitalisierung sind große Themen unserer Zeit. Wie gehen wir Verkehrs- und Straßenbauingenieure damit um?
VSVI Schleßwig-Holstein
Da der Verkehrssektor aktuell beträchtlich an den gesamten, weltweiten klimaschädlichen Emissionen beteiligt ist, gilt es neue, intelligente Lösungen zu finden, die es dem Einzelnen weiterhin ermöglichen, seine individuellen Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen: z. B. durch Vernetzung vorhandener Mobilitätsangebote mit attraktiven Verknüpfungs-/Umstiegsmöglichkeiten.
VSVI Bremen
Klimawandel und Mobilitätswende sind für Straßenbau- und Verkehrsingenieure eng miteinander verbundene Themen.
Natürlich bleibt die Aufgabe bestehen, für die Bewältigung des Verkehrs – unabhängig von der Verkehrsart – leistungsfähige Infrastrukturen zu schaffen und den Ablauf möglichst störungsfrei zu organisieren. Aber die Rahmenbedingungen ändern sich. Die sich verändernde Wahl der Verkehrsart und somit die Anpassung des Modal Split schaffen ebenso wie die erforderlichen Klimaanpassungsstrategien neue Rahmenbedingungen. Diese sind in den Richtlinien ebenso wie in der Planung zu berücksichtigen.
Auch beim Bau an sich ergeben sich neue Anforderungen. Und dies gilt nicht nur für die reine Straßenplanung, sondern auch für alle weiteren Bereiche, insbesondere für die Siedlungswasserwirtschaft. Stichworte wie Regenrückhaltung, Schwammstadt oder Überflutungsnachweis sind in aller Munde. Durch die zunehmende Komplexität der Projekte bedarf es aber auch neuer Bewältigungsstrategien. Hier greift die Digitalisierung, in der wir eigentlich schon seit Jahren angekommen sind.
Ziel muss es heute sein, dass die Digitalisierung uns hilft, uns und unsere Projekte zu strukturieren, den Umgang miteinander und die Projektaufgaben einfacher und transparenter zu gestalten.
Auch hier gibt es Schlagworte wie BIM und digitale Kollaboration, die im Infrastrukturbereich mit mehr Leben zu füllen sind.
Wie wünschen Sie sich als Straßenbau- und Verkehrsingenieure zukünftig die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen, wie mit Stadtplanern, Architekten oder Landschaftsarchitekten?
VSVI Baden-Württemberg
Die VSVI Baden-Württemberg hat sich konkret für andere Ingenieurberufe geöffnet, die unmittelbar im Straßen- und Verkehrswesen tätig sind, wie z. B. die Landschaftsplanung. Dementsprechend wurde auch das Seminarangebot um diese Fachbereiche ergänzt.
VSVI Hessen
Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit müsste genauso selbstverständlich werden, wie die mit Vermessern oder Landespflegern. Manche Berufsgruppe glaubt, auch die verkehrsmäßige Erschließung selbst planen zu können. Entsprechend kurios sehen dann manche Wohngebiete oder Zufahrten aus.
Eine verstärkte Zusammenarbeit muss gefördert werden, da Verkehrswegeplanung und -bau kein notwendiges Übel, sondern Grundvoraussetzung für Mobilität ist. Gleichzeitig muss es besser gelingen, die unterschiedlichen Ansprüche von Anwohnern, Mobilitätsnutzern sowie Natur und Umwelt sinnvoll miteinander zu verknüpfen.
Wie können wir junge Menschen mehr als bisher für unseren Beruf begeistern und so dem Fachkräftemangel begegnen?
VSVI Rheinland-Pfalz und Saarland
Unser Beruf steht für ein vielseitiges und breit gefächertes Arbeiten. Wir müssen die Menschen mit für sie interessanten Themen abholen. Das funktioniert am besten, wenn wir als Ingenieure Antworten auf aktuelle Themen und Fragen junger Menschen geben.
Wir müssen die jungen Leute mitnehmen, nicht nur thematisch, sondern ganz konkret durch Praktika bei unserer tagtäglichen Arbeit. Unsere Leistungen müssen und sollten stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
VSVI Bayern
Gefühlt bricht zurzeit in allen Branchen das Personal weg. Das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Berufsleben ist da sicherlich der Hauptgrund; aber es dürfte noch einige andere Gründe – auch spezifische für das Bauwesen – geben. Noch vor der Jahrtausendwende war der Bau nach dem euphorischen Boom der Wiedervereinigung in eine lange Krise geschlittert. Finanz- und Eurokrise haben sich angeschlossen und das düstere Bild einer zugrundegehenden und darniederliegenden Baubranche zementiert. All dies hat die Studierendenzahlen massiv nach unten gezogen. Image und Faszination von Maschinenbau, Elektro- und Digitalisierungsbranche haben das Bauwesen noch weiter ins Hintertreffen gebracht. Trotz der Hochphase auf dem Bau, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, konnte der Trend nicht gedreht werden.
Es überrascht immer wieder zu sehen, welche großartigen Aktionen und welchen Aufwand die Bauindustrie, die Ingenieurekammern und die Verbände ins Werben um mehr Menschen für den Bau stecken. Da läuft Einiges – nur leider vielfach unabhängig – nebeneinander her.
Wir sollten uns da viel besser vernetzen und viel mehr zusammenarbeiten. Nur so können wir das Bild vom Bau in den Köpfen junger Menschen wieder drehen und im Wettbewerb mit anderen Branchen bestehen