Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Bundesvereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen! In dieser Festschrift möchte die BSVI die letzten zehn Jahre Revue passieren lassen, denn die Zeit ist nicht stehen geblieben. Mit 60 Jahren werden in deutschen Unternehmen Menschen vielfach als Senior eingestuft oder gleich in die Rente geschickt. Doch die BSVI ist rege, modern und aktiv – und das sicher noch über viele Jahre.
Seit der Gründung der ersten Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure – und wenige Jahre später auch unseres Dachverbands BSVI – hat sich der Vereinszweck nicht wesentlich verändert. Auf Bundesebene gilt es, die Wahrnehmung unserer Aufgaben und unseres Berufsstands zu fördern und die Landesvereinigungen bei Ihren Kernaufgaben zu unterstützen. Dabei haben sich die Schwerpunkte verschoben und neue gesellschaftliche Themen wie „Neue Mobilität“, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind in aller Munde. Auch eine neue Verantwortlichkeit für die Straßen in Deutschland gibt es mit der Gründung der Autobahngesellschaft.
Das Berufsbild des Straßenbau- und Verkehrsingenieurs hat sich gewandelt und ist heute interdisziplinär und wesentlich digitaler. Auch der Fachkräftemangel hat unsere Branche erreicht, und wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um für uns und unseren Beruf zu werben. Es gilt der Leitsatz „Verkehrsingenieur – ein Beruf mit Zukunft“.
Wenn ich mit jungen Menschen ins Gespräch komme, die gerade in der Berufsfindung sind, verweise ich gern auf den Deutschen Ingenieurpreis Straße und Verkehr. Er zeigt die Vielfältigkeit unserer Tätigkeit und den technischen und gesellschaftlichen Wandel unseres Schaffens.
Kein Tag vergeht ohne eine Nachricht zum Thema Klimaschutz. Der Klimawandel und dessen Auswirkungen stellen uns mit der sich verändernden Verkehrsmittelwahl vor Herausforderungen. Besonders der Radverkehr wird künftig weiter deutlich zunehmen. Und für eine leistungsfähige, sichere und „neue“ Mobilität muss die Infrastruktur mehr als bisher gesamtheitlich und nachhaltig gedacht werden – für Fußgänger, für Radfahrer sowie für den fließenden und ruhenden Verkehr. Neue Verkehrsmittel wie der E-Scooter oder die E-Mobilität und das autonome Fahren stellen zusätzliche Anforderungen an den urbanen bzw. städtischen Raum.
Gleichzeitig erfordert das energie- und ressourcenschonende Bauen innovative Gedanken für den Einsatz von nachhaltigen Baustoffen und Bauweisen. Bereits heute stellen wir uns auf die Folgen der Klimaveränderungen ein, wie beispielsweise im Bereich der Straßenentwässerung, mit temperaturabgesenkten Asphalten oder auch im Winter- und Betriebsdienst. Und dieses wird nicht das Ende der Veränderungen sein.
Der Flächenverbrauch wird kontrovers diskutiert. Der Transport von Menschen und Waren benötigt trotz fortschreitender Digitalisierung immer eine physische Infrastruktur und damit auch Straßenfläche. Der Modal Split beginnt sich zu verändern, doch eine neue Mobilität kann ich mir ohne die Straße nicht vorstellen. Innerstädtisch ist der knappe Verkehrsraum zukunftsorientiert, bedarfsgerecht und nutzerspezifisch zu verteilen. Außerorts stehen eine flächensparende Planung und auch ein möglicher Rückbau von Verkehrsflächen im Fokus.
Mit über 15.000 Ingenieurinnen und Ingenieuren zählt die BSVI zu den größten Ingenieurverbänden in Deutschland und hat damit eine Position und ein Gewicht in technischen und berufsständischen Fragen. Und dieses Potenzial wurde in den letzten Jahren durch Umfragen und Stellungnahmen genutzt. Neben der Umfrage zum Einsatz der BIM-Methode erfasste eine Umfrage die Auswirkungen der Corona Pandemie und gab damit Hilfestellung bei den Veränderungen in unserem Arbeitsleben. Die BIM-Methode stellt einen Paradigmenwechsel in unserer Arbeit dar. Unsere Branche mit Verwaltung, Ingenieurbüros, Baufirmen und Wissenschaft hat sich unterschiedlich weit auf den Veränderungsprozess eingestellt. Wir sind gemeinsam gestartet, aber der Weg ist noch lang und das gemeinsame Ziel noch nicht erreicht.
Die Politik als Spiegel der Gesellschaft ruft immer wieder nach Planungsbeschleunigung und nach schnellerer Umsetzung von Infrastrukturprojekten. Mit der Definition des „überragenden öffentlichen Interesses“ scheint es einen zielführenden rechtlichen Ansatz zu geben. Wichtig ist mit Blick auf die finanziellen Mittel und beschränkten Planungs- und Bauressourcen eine verlässliche Priorisierung der Verkehrsprojekte. Mit Planungssicherheit können wir Ingenieurinnen und Ingenieure Verkehrsprojekte zügig und effizient umsetzen.
Mein Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen und allen Beteiligten, die sich ehrenamtlich in den VSVI-Landesvereinigungen und der BSVI eingebracht und sich damit für die Infrastruktur und Mobilität in Deutschland engagiert haben. Stolz können wir gemeinsam auf das Geleistete zurückblicken.
Notwendig bleibt es seitens der Politik, die erforderlichen Mittel für den Erhalt der Infrastruktur bereitzustellen – besonders für die in die Jahre gekommenen Brücken. Deren Zustand beschränkt zunehmend die Nutzung unseres gesamten Straßennetzes. Die BSVI fordert ein klares und ehrliches Bekenntnis zu den bestehenden Planungs- und Investitionsprogrammen für die Verkehrsinfrastruktur, einen Abbau von bürokratischen Hemmnissen, das Vorantreiben der Digitalisierung sowie den Erhalt von Mobilität im Einklang mit Klima- und Ressourcenschutz. Nur so können wir gemeinsam die gesellschaftlichen Herausforderungen heute und in Zukunft bewältigen.