Zeitgemäß planen

ein praxisgerechter Leitfaden für interdisziplinäres und kommunikatives Planen

Konrad Rothfuchs
Leiter Workshop Planungsleitfaden

Bild 1: Plakat „Straße der Planung“

Der 2017 veröffentlichte Leitfaden „Zeitgemäß planen – interdisziplinär und kommunikativ“ nimmt für sich bis heute in Anspruch, aktuelle Anregungen geben zu können für Planende, die sich der „Weimarer Erklärung“ der BSVI verpflichtet fühlen. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass eine interdisziplinäre Arbeitsweise in allen Leistungsphasen Berücksichtigung findet.

Der Leitfaden folgt dem schematischen Planungsablauf so, wie er in der HOAI – der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen – beschrieben wird. Neben der sogenannten Phase 0, also der Bedarfsplanung, die der HOAI vorgelagert ist, wird im Leitfaden der Blick auf die ersten fünf ­HOAI-Phasen gerichtet. Besonders, weil in den folgenden Leistungsphasen die Gestaltungsspielräume zunehmend eingeschränkt sind. Selbstverständlich ist auch in diesen Phasen eine ausreichende Kommunikation mit allen Beteiligten zu berücksichtigen.

Wie in anderen Planungsdisziplinen, hat sich auch in der Straßenplanung die Erkenntnis verfestigt, dass die Weichen für das Gelingen eines Projekts frühzeitig gestellt werden. Die dazu nötigen Schritte sind aber in der eigentlich ersten Leistungsphase der HOAI, der Grundlagenermittlung, nicht geregelt. Dementsprechend viel Raum wird diesem wichtigen Themenfeld gewidmet.

Der Leitfaden geht Leistungsphase für Leistungsphase durch, erklärt ihre jeweilige Funktion und gibt konkrete organisatorische Hinweise. Dabei werden die notwendige Planungstiefe und die Plansprache ebenso angesprochen, wie der sinnvolle Grad an Interdisziplinarität und Beteiligung. Eng damit verknüpft ist die Kommunikation, für die der Leitfaden ebenfalls Empfehlungen gibt.

Zusammengefasst wird der Leitfaden durch das Plakat „Straße der Planung“ (Bild 1), das den Planungsablauf bildlich darstellt und anhand von Schlagworten und Meilensteinen vertieft. Sowohl auf dem Plakat als auch im Leitfaden nimmt die Phase 0 den größten Raum ein. Exemplarisch werden auf dem Plakat die ersten Planungsphasen dargestellt, um Lust auf die weitere Anwendung zu machen.

Phase 0: Bedarfsplanung – was brauchen die Bauherrin und der Bauherr?

Bild 2: Themenradar

Es klingt banal, aber es muss allen Planenden immer bewusst sein, was das Ziel ihrer Arbeit ist. Es geht nicht nur darum, was Bauherr und Bauherrin wollen, sondern auch darum, was sie brauchen. Nicht von ungefähr heißt es in der 2016 novellierten DIN 18205 – Bedarfsplanung im Bauwesen: „Wenn es beim Bauen Probleme gibt, liegt das oft an einer ungenügenden Bedarfsplanung.“

Aber was ist der eigentliche Bedarf? Die frühzeitige Klärung dieser Frage trägt wesentlich dazu bei, Missverständnisse und Verzögerungen im späteren Planungsprozess zu vermeiden. Geht es beispielsweise nur um eine Straßeninstandsetzung oder doch um eine Umgestaltung bis hin zum Ausbau? Auch die Umsetzung eines politischen Programms, wie beispielsweise die Radverkehrsförderung, will in allen Facetten vorher ausgeleuchtet sein. Was ist der ursprüngliche Auslöser für das Vorhaben? Sind es Verkehrssicherheitsaspekte oder Stadtumbau? Mitbedacht werden muss, ob vor Ort das Interesse an einer Mitwirkung der Öffentlichkeit möglicherweise besonders hoch sein wird. Um keine wichtigen Aspekte zu vergessen, hat es sich in der Praxis bewährt, ein „Themenradar“ (Bild 2) zu Hilfe zu nehmen.

Bild 3: Akteursmapping

Zur Ermittlung der richtigen Kontaktpersonen kann mit einem „Akteursmapping“ (Bild 3) der einzubeziehende Kreis der Planenden, der Beratenden und weiterer Akteure und Akteurinnen (Stakeholder) bestimmt werden.

Ist durch die Gespräche mit diesem Kreis das klare Bild entstanden, welche Abhängigkeiten zu berücksichtigen sind, dann muss überprüft werden, ob Projektanlass und Projektziele noch ausreichend treffend abgebildet werden können. Immer wieder ist zu beobachten, dass dies bei politisch motivierten Programmen nicht der Fall ist. Einzelne Verkehrsträger sollen gefördert werden, jedoch ohne Einschnitte bei den anderen hinnehmen zu wollen. Beispielsweise ist eine Radverkehrsförderung in dichten stadträumlichen Situationen oft nicht umsetzbar, wenn gleichzeitig die Anzahl der Parkstände nicht in Frage gestellt werden darf. In solchen Situationen muss schon in dieser Phase eine geänderte Zieldefinition diskutiert werden.

Der Ablauf eines Prozesses wird auch als Prozessdesign bezeichnet. Die Erstellung einer solchen Ablaufstrategie ist für viele komplexe Projekte zwingend erforderlich. Durch die vielschichtigen Einflüsse auf ein Projekt ist die Gestaltung eines Prozesses ein individueller Vorgang, der die jeweiligen Gegebenheiten (Zeit, Finanzressourcen, Gegenstand, Akteursmapping) berück­sichtigen muss. Es geht also darum, die Arbeitsschritte festzulegen und darzustellen. Hierfür werden Fragen formuliert, die dabei helfen, die richtigen Themen zu finden. Der erste Entwurf eines Prozessdesigns muss flexibel gestaltet sein, da in der weiteren Entwicklung noch viele Belange eingearbeitet werden müssen und zunächst ein zielorientiertes Grundgerüst erforderlich ist.

Bild 4: Alternativen und Variantenvergleich in einer Bewertungsmatrix

Der Leitfaden enthält eine praxisnahe Checkliste zur Bedarfsplanung, die unter anderem diese Punkte empfiehlt:

  • Frühzeitig für eine gute Datenbasis und Ortskenntnis sorgen!
  • Aufsuchende Gespräche mit den Akteurinnen und Akteuren!
  • Entwickeln und Bewerten von Alternativen!

Diese Checkliste ist nicht strikt abzuarbeiten, sondern als Hilfsmittel gedacht. Zur Veranschaulichung enthält der Leitfaden außerdem eine Reihe von Abbildungen aus der Praxis der Bedarfsplanung, in der beispielsweise erste Eindrücke von Stärken und Schwächen sowie Potenzialen und Zielen einer Kreuzung in Hamburg vereinfacht dargestellt und Alternativen und Varianten aufgezeigt und bewertet werden (Bild 4).

Darüber hinaus enthält der Leitfaden zahlreiche organisatorische Hinweise zur Bedarfsplanung, etwa zur Planungstiefe („eher konzeptionell“) und zur Beteiligung („Transparenz ist oberstes Gebot“).

Leistungsphase 1: Grundlagenermittlung

Die Grundlagenermittlung ist mit ihren Inhalten in der HOAI beschrieben und beinhaltet, vereinfacht gesagt, nur die Zusammenstellung und Auswertung von Unterlagen. Die Erfahrung zeigt aber, dass hier oft gespart wird, was sich später rächen kann. Werden zu Beginn des Planungsprozesses die Grundlagen nicht umfassend erarbeitet, kann dies in der weiteren Planungs- und Realisierungsphase zu erheblichem Mehraufwand oder erheblichen Mehrkosten führen. Der Leitfaden ermuntert die Vorhabenträgerin bzw. den Vorhabenträger hier ausdrücklich, eigene Untersuchungen oder Vermessungen zu veranlassen, um so eine ­vernünftige Datenbasis zu erhalten. Ebenso wird empfohlen, bei ­der obligatorischen Ortsbesichtigung Mitarbeitende aus allen Ebenen wie zum Beispiel Zeichner und Technikerinnen mitzunehmen – auch um die Identifikation der Beteiligten mit dem zu überplanenden Ort zu stärken.

Leistungsphase 2: Vorplanung

In der Vorplanung werden alle übergeordneten Entscheidungen getroffen. Deshalb ist es heute wichtig, dass eine gute, wenn erforderlich interdisziplinäre, Planung auf dem Fundament eines nachvollziehbaren, umfassenden und abgestimmten Planungsprozesses steht. Nur so kann gewährleistet werden, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt die Planung empfindlich in Frage gestellt wird. Unter den heutigen Planungsbedingungen bedeutet das oftmals, ein informelles Partizipationsverfahren in den Planungsprozess zu integrieren.

Gerade in dieser Phase kann die Beteiligung der Öffentlichkeit eine besonders große Rolle spielen. Wenn es inhaltlich konzeptionell etwas auszuhandeln gibt, haben sich Formate wie Zukunftswerkstätten bewährt, in denen mit Arbeitsgruppen Lösungsansätze erarbeitet und wichtige Themenfelder identifiziert werden. Als informelle Verfahren sind sie zwar rechtlich nicht vorgeschrieben, aber unbedingt empfehlenswert. Sollten ohnehin keine Handlungsspielräume vorhanden sein, ist stattdessen auf Transparenz mit entsprechender Kommunikation zu achten.

Leistungsphase 3: Entwurfsplanung

Der Entwurf soll die Realisierbarkeit des Bauvorhabens gewährleisten. Öffentlichkeit und Politik werden eingebunden und die Genehmigungsreife wird mit den Behörden vorabgestimmt. Zwischen allen Entscheidungsträgern sollte Konsens hergestellt werden.

Wieder gilt hier der Hinweis: Im Sinne der Bürgerbeteiligung sollten zeichnerische Darstellungen möglichst allgemeinverständlich erfolgen, da diejenigen, die entscheiden, oft fachfremd sind (wie auch die Mehrzahl der Akteurinnen und Akteure). Um beide Gruppen zu gewinnen, sind klar verständliche Unterlagen zielführend. Hier gibt der Leitfaden wieder praxisnahe Anregungen, besonders zu den Darstellungsformen. So kann auf einen vereinfachten farblichen Lageplan für eine öffentlichkeitswirksame Kommunikation nicht verzichtet werden (Bild 5).

Bild 5: Beispiel eines gut gestalteten Lageplans, z. B. für öffentliche Veranstaltungen (Quelle: Bruun & Möllers / ARGUS)

Leistungsphase 4: Genehmigungsplanung

In dieser Phase sind in erster Linie die Verkehrsplanerinnen und -planer gefragt. Spätestens jetzt müssen neben den bautechnischen Rahmenbedingungen beispielsweise alle Verkehrszeichen dargestellt werden. Die Anforderungen unterscheiden sich von Kommune zu Kommune. In einigen Städten sind dazu zum Beispiel Markierungs- und Beschilderungspläne erforderlich. Das gilt auch für die Genehmigungsverfahren, die für die geplante Baumaßnahme nötig sind. Der Entwurf muss deshalb in dieser Phase mehr oder weniger umfangreich ergänzt werden, um alle lokal benötigten Inhalte für eine Genehmigung darzustellen und zu erläutern.

Leistungsphase 5: Ausführungsplanung

Hier sollte es eigentlich nur noch um Details gehen und der Entwurf nicht mehr inhaltlich verändert werden. Spätestens in dieser Phase muss geprüft werden, ob der Bestand an Leitungen der Neuanlage von Bäumen, Straßenmöbeln, Lichtsignalanlagen oder ähnlichem im Wege ist und so doch noch eine Änderung des Entwurfs nötig machen kann. Im Grunde aber geht es in dieser Phase „nur“ darum, den Entwurf ausführungsreif zu planen. Das Herzstück ist hierfür der Deckenhöhenplan. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Anschlusshöhen an Zufahrten und Eingängen gelegt werden – und ganz praktisch – auf die gute Lesbarkeit. Wichtig ist, dass die Ingenieurinnen und Ingenieure die Aussagen und Darstellungen der Unterlagen so wählen, dass die Planung auf der Baustelle sicher umsetzbar ist.

Honorierung

In dem Leitfaden werden Hinweise zur Honorierung einzelner Teilleistungen gegeben. Deutlich wird dabei, dass gerade die Bedarfsplanung nur einvernehmlich verhandelt werden kann. Die zusätzlichen Leistungen für das Beteiligungsverfahren und für die Kommunikation sind dagegen heute schon selbstverständlich gesondert zu vergüten.

Abschließende Bemerkung

In seiner Langfassung, mit den zahlreichen Abbildungen und – last, not least – dem Plakat „Straße der Planung“, hat der Leitfaden bereits zu Diskussionen über den Planungsablauf und die Planungsinhalte angeregt und wird auch weiterhin noch dazu anregen. Wie und in welchem Umfang die dort aufgezeigten Anregungen umgesetzt werden, ist zweitrangig. Es geht hauptsächlich darum, altbewährtes immer wieder zu überprüfen und da, wo es erforderlich ist, weiter zu entwickeln, damit Straßenbau- und Verkehrsingenieurinnen und -ingenieure auch in Zukunft qualitativ hochwertige, gut benutzbare, ökologisch vertretbare und damit akzeptierte Straßenbauprojekte realisieren können. Hierfür steht der Leitfaden und das Plakat zum Download auf der Homepage der BSVI zur Verfügung.